Ein herzliches Willkommen…
… zu unserem Newsletter, den wir begleitend zum Kinderdokumentarfilm- und VR-Projekt WUNDERKAMMERN gestartet haben
Auch in Ausgabe #4 wollen wir euch Einblicke in unser Projekt geben, das wir gemeinsam mit Joline (12), Roya (12), Wisdom (11) und Elias (14) und noch vielen anderen Kindern entwickelt haben. So ist ein Film und eine VR-Experience entstanden, die andere Kinder einladen soll, von ihren Träumen, Sorgen und Ängsten zu erfahren.
Wisdom, ein Junge mit kamerunischem Erbe, Joline, das Mädchen, das niemals erwachsen werden will, Elias, der auf seinem eigenen Planeten lebt und Roya, die vor fünf Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist, sind sehr unterschiedlich. Trotzdem haben sie in ihrem Alltag in Deutschland eines gemeinsam: Sie passen nicht so ganz in den Rahmen unserer Gesellschaft. Sie fallen auf, sie ecken an und fühlen sich oft nicht zugehörig. Erwachsene haben dafür Label: Migrationshintergrund, Autismus, Lernschwäche.
Unsere Kinder sprengen diese Schubladen, denn wie es in ihrem Song heißt: „Du bist nicht komisch oder anders, du bist einzigartig, zeig das!“
Diesen Song „Du bist einzigartig“ schrieb Giada (13) im Musikworkshop, der im Rahmen der Entwicklung der WUNDERKAMMERN statt fand. Das war im Sommer 2019, der mittlerweile eine ganze Ewigkeit entfernt scheint, in einer Zeitrechnung, in der noch niemand von Corona gehört hatte.
Im frühlingshaften Winter des Jahres 2021 setzen wir deshalb den klaren Schwerpunkt MUSIK, um gutgelaunt zurück, und optimistisch in die Zukunft zu blicken. So werdet ihr erfahren, wie die Lieder im Film entstanden sind, denn wir sprechen mit der Liedermacherin SylviaTotally und dem Musikproduzenten Lukas Scheigenpflug, die daran einen großen Anteil haben.
Und Giada unterhält sich mit Leila Akinyi, die großartigerweise als Musikcoach bei unserem Projekt beteiligt war. Wie es dazu kam, erfahrt ihr in unserer Rubrik „Behind the Scenes“. Und ohne Spoilern zu wollen: Giada hat in den nächsten Wochen eine aufregende Reise vor sich: sie ist bei den Voice Kids dabei! Wir gratulieren! Und wissen ganz genau, dass sie es mit ihrer tollen Stimme noch ganz weit bringen wird.
„Du bist nicht komisch oder anders, du bist einzigartig, zeig das!“
Wisdom hatte sich für „seinen Kinderfilm“ eine „Art Musikvideo“ gewünscht, mit allen Kindern: „Und ich stehe in der Mitte.“ Susanne Kim, unsere Regisseurin, schaute daraufhin mit ihm gemeinsam Musikvideos, um herauszufinden, was ihm gefällt und passen könnte. Unter anderem dabei auch Leila Akiniys AFRO SPARTANA. Und ganz schnell waren alle HipHop-Jungs abgewählt! Wisdom wollte Leila als Musikcoach, am liebsten in Kombination mit Sookee. Sookees Musik fand er auch „richtig gut“, vor allem das Lied Die Freundin von. Leider konnte Sookee krankheitsbedingt dann nicht mit dabei sein, als die Kinder im bunten Zug auf der Straße tanzten. Aber Leila hat uns während des Drehs in Magdeburg alle umgehauen mit ihrer Warmherzigkeit und Power. Und Wisdom schlug imposante FlickFlacks und trug seine Löwenzunge. Inmitten aller Kinder.
6 Fragen an…
Unter dieser Rubrik wollen wir die erwachsenen Herzen und Köpfen hinter unserem Projekt vorstellen.
Die Liedermacherin Sylvia Totally und der Musikproduzent Lukas Scheigenpflug haben „unsere“ Kinder dabei unterstützt, Ideen zu entwickeln, zu texten, Melodien zu finden und den Gesang aufzunehmen.
Denn Musik ist ein bedeutendes Element, gerade in der Dramaturgie von Kinderfilmen. Deshalb war uns wichtig, dass die Kinder, die an den WUNDERKAMMERN „mitbauen“, ihre eigene Musik einbringen. Denn meist sind es immer noch Erwachsene, die Musik für Kinder schreiben und interpretieren.
Jedes Stück in den WUNDERKAMMERN brauchte eine ganz eigene Herangehensweise. Und am Ende haben Sylvia und Lukas gemeinsam die entstandenen Songs für den Film arrangiert. Unter anderem sind ein Liebeslied von Roya, der Meerschweinchen-Rap von Elias und das nachdenklich stimmende Lied Zukunft entstanden. Wir sind sehr begeistert von den Ergebnissen und hoffen, wenn wir dann endlich einmal alle gemeinsam den fertigen Film im Kino sehen können, sind die Kinder es auch!
Sylvia Totally, die mit 16 die Gitarre für sich entdeckte und heute die Sängerin und Gitarristin der Leipziger Band Zona Problematica ist und Lukas, der sein Studio Synthikat ebenfalls in Leipzig hat, beantworten Fragen zu ihrem persönlichen Zugang zur Musik und wie sie ihre Zusammenarbeit, und natürlich auch die mit den Kindern, erlebt haben.
Mit welcher Musik seid ihr aufgewachsen?
Sylvia: Mich haben die Kinderlieder von Gerhard Schöne verzaubert. Der Märchenprinz oder Augen, Ohren und Herz – das hat mich wirklich sehr beeinflusst, auch was das Zusammenspiel von Musik und Text angeht. Ich saß oft mit den riesigen Kopfhörern vor der Musikanlage und bin abgetaucht. Ich liebe auch heute noch die Musik dieser alten LITERA-Hörspielmärchen. Dann habe ich ab der dritten Klasse Blockflöte gelernt, dieses unterschätzte Instrument. Die Alt-Flöte hat nicht so fiese Höhen, und die Barock-Stücke klingen super, wenn man die ganzen Triller weglässt.
Lukas: Als ich noch als kleiner Junge mit meinen Eltern in den Urlaub gefahren bin, kam ich nicht um Helge Schneider herum und sang fröhlich mit. Danach kamen Die Prinzen, gefolgt von meiner Hip-Hop-Phase, in der ich auch heute noch zum Teil stecke. Nur bin ich nicht mehr ganz so auf dieses Genre versteift und erfreue mich an allem, was mich technisch oder harmonisch begeistert und inspiriert.
Wie fühlt sich Musik für euch an? Könnt ihr da eure bisherig stärksten körperlichen Reaktionen beschreiben?
Lukas: Am schönsten ist es, wenn mir ein Sound oder eine Melodie ein Kribbeln durch den Körper schickt. Meist auch gefolgt von „Goosebumps“. Also Gänsehaut – ich mag aber den englischen Begriff sehr. (lacht)
Sylvia: Musik fühlt sich für mich ganz unterschiedlich an: mal wie eine Hand an der Wange, mal wie ein Schulterklopfen und manchmal wie ein Tritt vor´s Schienbein. Ich habe letztens im Radio Alles Helal von Elif gehört. Das hat mich richtig umgehauen und meine Antennen haben geglüht. Wenn ich selber singe, bringt das mich und meine Umgebung zum Schwingen. Mit der Gitarre vor dem Bauch fühlt sich das noch intensiver an.
Gerade sind alle Bühnen geschlossen. Wie kompensiert ihr das fehlende Publikum?
Sylvia: Singen und Gitarre spielen hilft mir, mich abzureagieren in dieser Zeit. Ich sage nur: Homeschooling plus Home-Office. Ich habe auch neue Lieder geschrieben, die ich gern mal live spielen würde. Ich habe der Welt ja etwas mitzuteilen. Meine Motivation, alles online zu verbraten, hält sich in Grenzen. Zwei Lieder habe ich für eine Video-Playlist des Vereins Leipziger Liederszene .V. aufgenommen. Wenn man wieder in größeren Gruppen zusammen draußen sein kann, möchte ich gerne ein Konzert im Garten geben.
Lukas: Mich als Produzenten trifft es zum Glück nicht so stark, wie die KünstlerInnen, die sich ihr Brot durch Auftritte finanzieren. Ich kann weiterhin ungebremst in meinem Studio arbeiten und gebe meinen Musikunterricht nun vor der Webcam. In meiner Freizeit mache ich dann meist sehr entspannte Musik, welche ohne Synthesizer nicht auskommen würde. Wer da gerne mal reinhören mag, findet diese auf meinem YouTube-Kanal.
Ihr habt beide schon mit Kindern in Musik-Workshops zusammengearbeitet, Sylvia, du hast auch selbst zwei Töchter – wie sind eure Erfahrungen: Welchen Zugang haben Kinder zu Musik?
Sylvia: Ich bin mir sicher, dass für jedes Kind Musik zunächst etwas ganz Wichtiges und etwas ganz Normales ist. Ich merke das beim Homeschooling: die Kinder summen und quieken die ganze Zeit irgendwelche Melodiefetzen vor sich hin. Das geht so lange gut, bis jemand anfängt, das zu bewerten: „Ah, Du kannst das ja gut!“ oder „Oh nein, hör auf, das klingt ja furchtbar!“ Meist gibt es nichts dazwischen. Dann fangen die Hemmungen an. Wie schade, dass immer alles perfekt sein muss, dann haben Kinder gar keine Chance sich auszuprobieren.
Bei uns zu Hause wird jetzt nicht ständig musiziert. Meine Kinder sehen die Gitarre eher als Konkurrenz, es sei denn, wir spielen Songs aus dem Radio, wie Tick Tock von Mabel. Aber wir gucken sehr gerne zusammen Musikvideos auf Youtube an.
Lukas: Am meisten begeistert mich, wie schnell Musik Vertrauen aufbaut und Ängste nimmt. Jedes noch so schüchterne Kind kommt meist innerhalb kürzester Zeit aus sich raus und klimpert fröhlich ohne Angst auf den Tasten herum oder singt laut ins Mikrofon.
Auf das erste Hören sind die Arten von Musik, die ihr macht sehr verschieden. Für MEINE WUNDERKAMMERN habt ihr zusammengearbeitet und außerdem hauptsächlich du, Sylvia, mit den Kindern getextet und Melodien entwickelt – wie war der Prozess für euch?
Sylvia: Ich hab früher viele Projekte in der kulturellen Jugendbildung gemacht, daher wusste ich, dass wir mit den Kindern auf jeden Fall irgendetwas gemeinsam auf die Beine stellen. Das ist kein Hexenwerk. Jeder Mensch, jedes Kind hat ganz viel in sich. Bei dem Workshop mit den Kindern für die WUNDERKAMMERN habe ich gezeigt, dass es verschiedene Wege gibt, Lieder zu machen. Dann sind die Kids alleine losgelaufen. Da wir keinen Druck hatten, am Ende ein bestimmtes Ergebnis zu haben, war die Atmosphäre sehr entspannt und kreativ, auch wenn wir wenig Zeit hatten. Da kamen Texte, tolle Ideen und teilweise ganze Lieder raus. Aber so ein Lied ist ja nicht fertig mit Text, Melodie und Akkorden. Tiefe braucht verschiedene Ebenen aus verschiedenen Sounds. Alleine das Aufnehmen ist ja eine Wissenschaft für sich. Da war Lukas der richtige Wissenschaftler. Er hat noch tolle Ideen reingebracht, zum Beispiel beim Meerschweinchen-Rap von Elias. Wir hatten kurze Wege – nicht nur, weil wir im selben Haus wohnen.
Lukas: Für mich war das Schönste an der Arbeit, die kreativen Gedanken der Kinder in Form von Gesang aufzunehmen und zu sehen, wie die vorherige Anspannung der Kinder vor dem Mikrofon sich in ein strahlendes Lächeln verwandelte. Und das Aufgenommene mit den musikalischen Ideen von Sylvia und mir in Einklang zu bringen. Das Spannende war dann, diese entstandene Musik auf das Geschehen im Film anzupassen.
Wie erlebt ihr als MusikerIn Musik in Filmen – seid ihr da besonders sensibilisiert?
Lukas: Ich bin beim Schauen von Filmen, oft von der Musik oder dem Sounddesign sehr begeistert und hoffe, das ich damit nicht alleine bin.
Sylvia: Bist du nicht! Was wären Filme ohne Musik? Geht das überhaupt? Ich liebe Filme mit tollen Soundtracks, und, ja, vor allem mit Liedern. Damit meine ich gar nicht mal verfilmte Musicals. Es gibt zum Beispiel einen Film, der heißt Magnolia. Da regnet es Frösche und der ganze Film hat diesen speziellen Soundtrack mit Liedern von Aimee Mann. Dazu fallen mir noch Donnie Darko oder Fame ein, aber auch Kinderfilme wie Bibi und Tina oder Die wilden Kerle. Letztens haben wir mit den Kindern Charlie Chaplin-Stummfilme gesehen. Verrückt, das funktioniert vollkommen ohne Sprache, da gibt es nur ein Klavier, und ich musste richtig laut lachen.
Im Laufe der Filmarbeiten hatte sich Giadas Lied Du bist einzigartig klar zu dem Song herauskristallisiert, mit dem wir die Schlusssequenz drehen wollten.
Leila Akinyi und Giada beschlossen, eine HipHop-Variante zu entwickeln, zu der Lukas Scheigenpflug den passenden Beat baute. Die Drei hatten dann eine sehr gute Zeit im Studio und wir sind ganz stolz auf den tollen Song, der dabei herausgekommen ist.
Leila Akinyi wurde in Mombasa geboren, mit sechs Jahren wanderte sie nach Deutschland aus und wuchs in Köln auf. 2016 veröffentlicht sie ihren ersten Song Afro Spartana, der stark polarisierte und Diskussionen auslöste, geht sie darin doch sehr offensiv mit ihrem „Schwarz-Sein“ um und hält der deutschen Gesellschaft den Spiegel vor.
Mittlerweile gehört sie zu den wichtigsten Stimmen des deutschen Hip Hop und setzt sich für Empowerment, Liebe und Selbstliebe ein. Und eine Welt, in der es egal ist, „wie jemand ist oder aussieht“. Ihre Musik ist geprägt von Einflüssen aus dem Gospel-Chor, in dem sie lange aktiv war, Rhythmen aus Kenia und ihrer ganzen eigenen Art zu rappen.
Mit Giada (13) spricht Leila Akinyi über ihre Musik, ihre Inspiration und ihre Erlebnisse mit Rassismus in Deutschland.
Giada: Wie bist du dazu gekommen, Sängerin zu werden?
Leila: Ich habe mit 13 angefangen Gedichte zu schreiben. Damals gab es noch keine Smartphones, ich habe also richtig mit der Hand geschrieben und hatte in meinem Zimmer immer einen Haufen Papier rumfliegen. Irgendwann hatte ich dann eine CD geschenkt bekommen, mit bestimmt 100 verschiedenen Instrumentals darauf. Die habe ich mir dann immer wieder angehört und versucht, meine eigenen Texte dazu zu schreiben. Die waren schlecht, diese Texte. Aber was heißt schlecht? Heute kann ich sagen, dass sie schlecht waren. Damals war es gut, dass ich sie geschrieben habe, denn du kannst nur besser werden, wenn du wirklich anfängst zu schreiben. Irgendwann hast du dann den Dreh raus.
Das ist ja bei vielen Dingen so. Auch mit dem Gesang. Wenn du singen möchtest, weil du eine schöne Stimme hast, dann musst du trotzdem immer noch üben, üben, üben. Bis du das kannst, was du können wolltest und machen kannst, was du machen willst. Einen Teil vom Text für Kein Weg zu weit, habe ich übrigens mit 14 geschrieben und dann nie vergessen.
Giada: Was würdest du mir, als jemandem raten, die gerne später etwas beruflich mit Gesang machen möchte?
Das wichtigste für eine Musikerin ist, eigene Songs zu haben. Versuche eigene Lieder zu schreiben. Du kannst auch zunächst aus einem Song, den du kennst, einen Remix machen. Probiere dich aus, traue dich, und glaube an dich. Das ist ganz wichtig. Und mache immer weiter, um besser zu werden. Du hast ja schon mal Gesangsunterricht, das ist gut. Tanzen ist auch wichtig, das habe ich auch viel gemacht, denn das hilft dabei, die verschiedenen Rhythmen besser zu verstehen. Und suche dir FreundInnen, die auch Musik machen. Ich wollte zum Beispiel immer Rappen und kannte auch ein paar Jungs, die das machten. Das waren aber nicht wirklich meine Freunde und ich habe sie immer nur von Weitem beobachtet. Um sich weiter zu entwickeln, sollte man sich mit anderen KünstlerInnen zusammentun und gemeinsam etwas auf die Beine stellen.
Giada: Du machst Hip Hop. Warum hast du dich für diese Musikrichtung entschieden?
Leila: Ich habe viel amerikanischen Hip Hop gehört und da gab es viele schwarze Frauen. Da habe ich mich einfach wiedergefunden und die Musik auch richtig gespürt. Es ist DIE Musik gewesen, mit der ich mich am meisten identifizieren konnte. Auch ich hatte diese Kämpfe im Leben und kannte das, wenn man in dem Viertel der Stadt aufwächst, das andere als „Assiviertel“ bezeichnen. Du erlebst Situationen, die viel mit dir machen, wenn du keine Perspektiven hast, wenn du niemanden hast, der dich supportet. Das war damals nicht besonders schön.
Giada: Verarbeitest du deine Kindheitserinnerungen in deiner Musik?
Leila: Eigentlich fast nur. Als ich Kein Weg zu weit mit 14 Jahren schrieb, war ich in der Pubertät. Man wächst gerade, alles und alle um einen herum verändern sich. Man weiß noch nicht, wer man ist. Ich hatte auch ganz viel Stress mit anderen Kids. Diese ganzen unnötigen Kriege, die entstehen, auch in der Schule. Plötzlich bilden sich Hierarchien heraus, jeder sucht sich seinen Platz. Und ich war eher der Außenseiter-Alien. Singt: Ich bin der Außenseiter mittendrin.
Alles kommt aus der Kindheit. Weil man sich als Kind nicht wirklich wehren kann. Als erwachsene Person kann man sich verteidigen, wenn man in bestimmte Situationen kommt, als Kind kannst du das nicht. Das sind auch Emotionen, die du immer in dir trägst. Wenn dich etwas verletzt hat, vergisst du das nicht so schnell und verarbeitest es vielleicht 10 Jahre später in einem Song.
Giada: Was inspiriert dich und welche Themen greifst du immer wieder auf?
Leila: Ich versuche immer eine Message zu haben, wenn ich anfange zu schreiben. Oft will ich die ganze Welt retten, deshalb entstanden Liebe verbreiten, Fernseher, Kein Weg zu weit, Phantasie. Und dann gibt es auch Songs, da will ich mich selbst retten. Aber auch andere retten und motivieren. Ich schreibe dann oft aus der Sicht der Kids, weil ich zum Beispiel dir und anderen Kindern sagen möchte: Du schaffst das, kein Weg ist zu weit! Ich versuche zu inspirieren, mich selbst und andere zu stärken.
Giada: Welches Thema beschäftigt dich aktuell am meisten?
Leila: Jetzt gerade ist es, dafür zu sorgen, dass Frieden auf der Welt herrscht. Aber das beschäftigt mich eigentlich immer. Nur manchmal will ich auch einen Liebessong schreiben und dann mache ich das.
Ich war ja im Gospelchor und wir haben da gelernt zu evangelisieren. Und ich habe mich immer gefragt, wie soll ich denn Menschen evangelisieren, ohne zu sagen, ich bekehre dich jetzt. Und dann kam ich darauf: Liebe verbreiten, das ist es Leila. Gehe und verbreite Liebe auf der Welt! Versuche das Gute weiterzugeben. Und spreche dabei Themen an, die vielleicht komplizierter sind, aber die angesprochen werden müssen, damit sich etwas verändert.
Giada: Ich dachte, du sagst jetzt bestimmt BlackLiveMatters. Aber vielleicht nervt es dich ja auch, dass es jetzt gerade fast „IN“ ist, sich damit auseinanderzusetzen. Wie stehst du dazu?
Leila: Ich habe schon das Gefühl, dass manche diese Bewegung als Trend nutzen und auf den Zug aufspringen.
Giada: Wir haben im Film auch das Thema Rassismus, wenn auch nicht als Hauptthema, aber Wisdom und Victory haben Erfahrungen damit gemacht. Was würdest du Kindern und Teenagern sagen wollen oder was hättest du dir gewünscht, wie andere Kinder sich dir gegenüber verhalten?
Leila: Ich hätte mir gewünscht, dass mich die anderen Kinder genauso sehen, wie sie sich selber sehen. Dass sie mich nicht verurteilen, nur weil ich anders aussehe. Man kann aber die Kinder nicht wirklich dafür verantwortlich machen, denn Vieles kommt von Zuhause oder aus dem Fernsehen. Wir sind ja alle schon sehr früh von bestimmten Bildern geprägt.
In Kindergärten und Schulen müsste es deshalb auch schon ganz früh losgehen, den Kindern beizubringen: wir sind alle eins, wir machen keine Unterschiede. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals dieses Thema im Unterricht behandelt haben, in keinem Fach. Es ist auch ganz wichtig immer zu hinterfragen, wie würdest du dich denn fühlen, wenn dich jemand schlecht behandelt? Ich denke, Kinder haben da noch ganz andere Fähigkeiten, als Erwachsene, die können noch viel stärker mitfühlen. Und Denkmuster bekommt man ja beigebracht.
Giada: Du machst auch Musikworkshops mit Kindern in Schulen, wie reagieren denn die Kinder auf dich? Spreche sie dich manchmal an, weil du eine andere Hautfarbe hast?
Leila: Ich gewinne die Kinder meistens für mich, aber es gibt auch welche, denen ich ansehe, dass sie mich als schwarze Person sehen und dann auch teilweise so mit mir umgehen.
Giada: Was machen die dann?
Leila: Es gibt so drei Jungs in der Schule, in der ich arbeite, die hänseln mich. Ich gehe nicht darauf ein, aber die bringen schon so Hardcoresprüche wie: „Wir sind hier nicht im Dschungel“ oder die gehen an mir vorbei und sagen: „Ey, voll dunkel hier“. Was schade ist – man wird dann nicht ernst genommen, wenn man das anspricht. Da kommt dann: „Ne, wir sind doch keine rassistische Schule“. Manche Kinder hören auch gar nicht auf mich, da kann ich sagen, was ich will. Kommt dann eine Person, die nicht schwarz ist, hören sie plötzlich schon und machen, was gesagt wird.
Giada: Das klingt ganz schön hart, dieser alltägliche Rassismus in Deutschland.
Leila: Alltagsrassismus klingt so harmlos, aber es ist furchtbar. Manchmal gehst du gut gelaunt aus dem Haus und dann trifft dich ein böser, verächtlicher Blick, obwohl du die Person anlächelst. Das kann dir den ganzen Tag ruinieren. Und das ist etwas, an das man sich nicht gewöhnen sollte, als schwarze Person.
Vor allem wenn du das dein Leben lang kennst, wenn du als Kind davon schon traumatisiert bist, weil du jahrelang erst einmal gar nicht verstanden hast, warum Menschen so auf dich reagieren. Wenn du es dann verstehst, bist du noch verwirrter, weil du dich fragst, ist das denn ein Grund mich anders zu behandeln? Als ich zum ersten Mal einen weißen Menschen gesehen habe, dachte ich eher: schön, wow.
Aber Rassismus ist so tief verwurzelt, das dauert lange, bis man das wieder aus den Menschen herausbekommt. Es gibt ja auch immer noch diese ganzen rassistischen Texte. Da fragst du dich dann, warum bearbeitet ihr in der Schule einen Text, in dem steht „Moritz und der schwarze Junge“? Hat der schwarze Junge denn keinen Namen? Und dann hat der schwarze Junge auch kein Essen dabei und isst einfach von Moritz seinem Teller mit, ohne dass er den Moritz gefragt hat. Da fängt das doch schon an, dass Kinder ein bestimmtes Bild mitbekommen.
Bis heute gibt es Alltagssituationen in denen ich mich besonders schütze. Zum Beispiel reserviere ich immer einen Sitzplatz, wenn ich mit dem Zug fahre, denn ich will gar nicht in die Situation kommen, mit jemanden diskutieren zu müssen. Mir geht es oft wie Wisdom, dann wünschte ich mir, ich sei unsichtbar.
UNSER TIPP
Wir freuen uns, in Olafur Eliasson gewissermaßen einen Seelenverwandten gefunden zu haben. Denn in seinem AR (Augmented Reality) Projekt WUNDERKAMMER, versammelt der bekannte dänische Künstler eine Kollektion von Naturelementen, kleinen Kunstwerken und Experimenten in seinem Studio. Bekanntes, Überraschendes und Unerwartetes ist zu finden, darunter auch ein kleine Wolke, die den Besucher beregnet. Das erinnert uns doch gleich an die Regenmusik, die bei den WUNDERKAMMERN unserer Kinder aus einer Schaukel „tropft“. Eliasson über seine Intention: „Heute, da körperliche Distanz unser Leben bestimmt, ist es wichtiger denn je, dass wir uns mit Dingen und Atmosphären umgeben, die uns etwas bedeuten. Alle Elemente in der WUNDERKAMMER spielen eine Rolle in meinem Leben. Einige sind Dinge, die wir normalerweise als selbstverständlich ansehen – und ich denke, sie sollten als die Wunder, die sie eigentlich sind, zelebriert werden. Andere Elemente in der Sammlung sind experimenteller Natur, wie zum Beispiel die Skulpturen aus Licht. Und manche Objekte sind zunächst für das Auge unsichtbar, bis du sie mit den Händen „fangen“ kannst. (…) Es geht darum, Orte zu erschaffen, die das Alltägliche in Außergewöhnliches verwandeln – Räume, die lebhafte Wahrnehmungen und körperliche Reaktionen hervorrufen. Die App ist hier erhältlich
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